12.12.2019

Die 3 größten Mythen rund um die Mitarbeiterbindung

Mitarbeiter langfristig binden, statt neue zu finden – in Zeiten hoher Mitarbeiterfluktuation bestimmt ein guter Ansatz, der für Unternehmen mit weniger Stress verbunden sein dürfte. Wie Mitarbeiterbindung gelingt und was Sie nicht tun sollten, erfahren Sie hier.

Eine Befragung von 1.092 Personen durch die CompensationsPartner GmbH in Kooperation mit Gehalt.de aus dem Jahr 2019 ergab als häufigste Gründe für eine Kündigung in dieser Reihenfolge:

  1. mangelnde Wertschätzung durch Vorgesetzte, 
  2. ein zu niedriges Einkommen, 
  3. ein besseres Angebot, 
  4. mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten und 
  5. zu hohen psychischen Druck.

Laut dem vom Gallup-Institut erhobenen Engagement Index Deutschland für 2018 haben 

  • nur 15 % der Mitarbeitenden eine hohe emotionale Bindung an den Arbeitgeber, 
  • 71 % eine geringe emotionale Bindung und 
  • 14 % überhaupt keine emotionale Bindung. 

Das macht 5,5 Millionen Mitarbeitende in Deutschland, die voraussichtlich nicht so bald kündigen werden, aber 32 Millionen Mitarbeitende, die möglicherweise über eine Kündigung nachdenken und mehr oder weniger nur noch Dienst nach Vorschrift machen. Diese Zahlen haben sich seit 2001 nur minimal verändert. Das führt dazu, dass die Mitarbeiterfluktuation in den Unternehmen steigt, denn Mitarbeitende, die keine oder eine geringe emotionale Bindung an das eigene Unternehmen haben, wechseln schneller und werden in Zeiten des Fachkräftemangels auch leichter wieder fündig. Möglicherweise sogar ums Eck, beim direkten Marktteilnehmer.

Keine oder nur eine geringe Bindung an das eigene Unternehmen zu haben oder, salopp ausgedrückt, mit der „inneren Kündigung“ an den Arbeitsplatz zu gehen, kostete die deutsche Volkswirtschaft im Jahr 2018 zwischen 77 und 103 Milliarden Euro, weil die Mitarbeitenden nicht mehr die volle Leistung erbrachten, zu der sie fähig gewesen wären. Unmotivierte Mitarbeitende haben 41 % mehr Fehltage als motivierte Mitarbeitende, kündigen um 24 % häufiger, haben 70 % mehr Arbeitsunfälle und arbeiten qualitativ um 40 % schlechter.

Diese Zahlen sollten für jedes Unternehmen eigentlich Motivation genug sein, um in die Mitarbeiterbindung zu investieren. Zum Glück tun das viele Unternehmen inzwischen auch. 

Welchen Mythen bezogen auf Mitarbeitermotivation und -bindung hängen Unternehmen fälschlicherweise häufig noch nach?

Der erste Mythos lautet: „Geld fördert die Motivation, mehr Geld fördert die Motivation mehr.“ Darum gibt es in Unternehmen Boni- und Incentive-Regelungen (finanzielle Anreize), erfolgsabhängige Gehaltsbestandsteile und Zielvereinbarungssysteme. 

Der zweite Mythos lautet: „Die Führungskraft ist dafür verantwortlich, wie motiviert die Mitarbeitenden sind.“ Das führt dazu, dass man versucht, Mitarbeitende über Gehaltsanreize zu motivieren. Diese Motivationsanreize kommen von außen (extrinsische Anreize) und haben – das belegen viele Studienergebnisse – begrenzte Wirkung. In unserer zunehmenden Spaßgesellschaft wird regelmäßig auch der Tischkicker als Motivationsmaßnahme gefordert. Auch dieser hat nur begrenzte Wirkung auf die Motivation der Mitarbeitenden! Warum? Weil ein Tischkicker alleine noch kein gutes oder cooles Betriebsklima erzeugen kann.

Der dritte Mythos lautet: „Menschen müssen angetrieben und kontrolliert werden, sie benötigen genaue Vorgaben, damit sie ihre Aufgaben erledigen.“

Mit welchen Gegenargumenten lassen sich diese Mythen relativieren oder entkräften?

Mythos 1: Geld motiviert – mehr Geld motiviert mehr?

Wir wissen heute: Die Höhe des Gehalts motiviert nur bis zu einer oberen Schwelle. Darüber hinaus führt mehr Geld nicht zu mehr Motivation oder besserer Leistung. Mehr Leistung entsteht stattdessen durch mehr Aufmerksamkeit von der Führungskraft, durch die Begegnung auf Augenhöhe mit den Vorgesetzten, durch die Einbindung der Mitarbeitenden bei Entscheidungen und durch den Glauben an den Sinn der eigenen Tätigkeit. Ich kann etwas beitragen oder bewirken – das ist der jüngsten Generation in den Unternehmen sehr wichtig.

Die gezielte Förderung von Stärken der Mitarbeitenden oder die Anerkennung und Wertschätzung der Unterschiede zwischen den Kolleg*innen in den Teams haben auch eine starke Wirkung. Darüber hinaus hilft es, die Selbstorganisation der Teams zu fördern, eine gute Fehlerkultur zu etablieren, als Führungskraft delegieren zu können und gemeinsam mit den Mitarbeitenden den Kunden in den Blick zu nehmen. Aus diesen Vorgehensweisen entsteht Eigenmotivation, die wiederum zu besserer Leistung, mehr Kreativität und zu der Bereitschaft führt, Verantwortung zu übernehmen. Wenn Sie unbedingt mit monetären Anreizen arbeiten möchten, dann am ehesten bei einfachen sich wiederholenden Routineaufgaben, z. B. im Rahmen von Akkordarbeit.

Mythos 2: Führungskräfte müssen motivieren

So viel ist klar: Führungskräfte können die Motivation der Mitarbeitenden und damit die Mitarbeiterbindung nicht direkt beeinflussen. Sie können durch extrinsische Motivationsanreize versuchen, Leistung und Arbeitsqualität positiv zu beeinflussen. Die Wirkung verpufft jedoch sehr schnell, wie wir alle wissen. Und sie entfaltet nur für die Erledigung einfacher Aufgaben Wirkung. Führungskräfte sollten stattdessen für gute Arbeitsbedingungen sorgen und das Miteinander am Arbeitsplatz positiv gestalten, indem sie gute Vorbilder sind. Mitarbeitende sind bei entsprechender Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen und des Miteinanders am Arbeitsplatz von sich aus motiviert. Voraussetzung dafür ist, dass es alle ernst damit meinen, auch „die da oben“. Mitarbeitende sind in der Regel in der Lage, sich selbst zu organisieren, wenn sie den Freiraum dafür haben. Deshalb sollten Unternehmen ihren Mitarbeitenden mehr Freiraum lassen zu wählen, wie sie eine Aufgabe bewältigen oder ein Problem lösen möchten. Letztlich sind den Mitarbeitenden zwei Dinge wirklich wichtig: ihre eigene Zukunft und die Zukunft des Unternehmens. Und zwar in dieser Reihenfolge

Der Tischkicker für mehr Spaß bei der Arbeit könnte eine Maßnahme sein, zuerst sollte jedoch geklärt sein, ob jeder Mitarbeitende die Zielrichtung, in die das eigene Unternehmen steuert, versteht und weiß, welchen Beitrag er beisteuern kann. Klären Sie auch, ob die Mitarbeitenden durch Weiterqualifizierung für eine erfolgreiche Zukunft befähigt werden, und ob die Mitarbeitenden ermutigt werden, neue Ideen zu entwickeln. Eine zentrale Frage lautet dabei: Wie wird mit den dabei unvermeidlichen Fehlschlägen umgegangen?

Menschen brauchen nicht zwangsläufig einen Tischkicker, um sich in einem Unternehmen wohl zu fühlen, sondern suchen nach einem tieferen Sinn im Beruf, der für sie erfüllend wirkt. Sinn und Selbstverwirklichung wirken auf Dauer viel belohnender und zahlen mehr auf die Mitarbeiterbindung ein als jedes monetäre oder zielorientierte Anreizsystem, vorausgesetzt die Entlohnung wird als angemessen und gerecht erlebt. Unternehmen, bei denen es auf kreative Lösungen und flexible Aufgabenabwicklung ankommt, sind gut beraten, wenn sie ihren Mitarbeitenden größtmögliche Freiheitsgrade als Rahmen zur Aufgabenbewältigung zur Verfügung stellen. Das bedeutet nicht, dass es keine Regeln gibt und Chaos herrscht. Entsprechende Studienergebnisse zeigen darüber hinaus auch, dass Teams bessere Arbeitsergebnisse erzielen, wenn sie heterogen zusammengesetzt sind und die jeweiligen Stärken der Kollegen sich ergänzen. Voraussetzung dafür ist, dass Verschiedenartigkeit als wertvoll erlebt wird. Es bringt nichts, an Mitarbeitenden „herumzuschrauben“, bis sie so sind, wie ich sie haben möchte oder benötige. Es gilt, Stärken zu erkennen, zu fördern und gewinnbringend einzusetzen.

Mythos 3: Mitarbeitende müssen angetrieben und kontrolliert werden

Zuallererst muss klar sein, dass ein Unternehmen zwischen Leistungsbereitschaft und Motivation trennen oder unterscheiden muss! Denn Leistungsbereitschaft kann und muss bzw. darf erwartet werden. Das ist per Arbeitsvertrag geregelt. Motivation bei Mitarbeitenden per Arbeitsvertrag zu erwarten ist eine Illusion, der sich ein Unternehmen nicht hingeben sollte. Deshalb besteht eine Kernaufgabe von Führung darin, die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden so zu gestalten, dass daraus Motivation erwächst. Und mit Arbeitsbedingungen sind wiederum nicht in erster Linie der Tischkicker oder das E-Bike gemeint, sondern eher die Begegnung auf Augenhöhe, das Zutrauen, das vom Teamleiter oder Vorgesetzten entgegengebracht wird.

Und wenn offensichtlich ist, dass die Mitarbeitenden sich selbst organisieren können und wollen, gehen Sie bitte aus dem Weg, damit sie die Aufgaben bearbeiten und Probleme eigenverantwortlich lösen können. Im Übrigen führt Kontrolle, die der Mitarbeiter als unangemessen erlebt, in eine Art Teufelskreis: Kontrolle durch die Führungskraft erzeugt beim Mitarbeiter Ablehnung, die bei der Führungskraft wiederum zu einer Verstärkung der Kontrolle führt – und so weiter. Ein Dilemma, von dem keiner der Beteiligten und auch das Unternehmen nicht profitiert.

Fragen Sie sich stattdessen, welche Aufgabe der Mitarbeiter gut erledigt hat und warum sie oder er die Aufgabe gut erledigt hat. Welche besonderen Fähigkeiten hat der Mitarbeiter gezeigt? Und wie sollte sein Arbeitsfeld künftig aussehen, damit er diese Fähigkeiten noch besser einsetzen kann? An dieser Stelle passen die Worte des Apple-Gründer Steve Jobs ganz gut: „It doesn’t make sense to hire smart people and then tell them what to do. We hire smart people so they can tell us what to do.” (Deutsch: Es macht keinen Sinn, clevere Leute einzustellen und ihnen dann zu sagen, wie sie etwas zu tun haben. Wir stellen clevere Leute ein, damit sie uns sagen können, wie etwas getan werden kann.)

Ein wichtiger Faktor für gelingende Mitarbeiterbindung ist auch ein gutes Miteinander der Generationen…

Machen Sie das Generationenthema zum Thema in Ihrem Unternehmen. Organisieren Sie Vorträge vielleicht auch Webinare für Führungskräfte zu den Spezifika der Generationen von den Babyboomern über die Generationen X und Y bis hin zu Generation Z. Stellen Sie sicher, dass in der Führungskräfte-Entwicklung und in der Fort- und Weiterbildung das Thema Generationen-Management ein fester Bestandteil wird. Mentoring-Programme und Aktivitäten über alle Generationen hinweg sollten Alltag werden! Nur so können die Jungen die Erfahrung der Älteren nutzen und die älteren Arbeitnehmer*innen bleiben in ihrer Entwicklung nicht stehen und fühlen sich wertgeschätzt und gebraucht.

Führen Sie Generationen-Workshops durch! Die sorgen auf Unternehmens- und auf Team-Ebene für eine bessere Wahrnehmung von typischen Vorurteilen zur Generation Z, Generation Y, Generation X und den Babyboomern. Sie sensibilisieren für die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Generationen, ermöglichen eine bessere Fokussierung auf die Potenziale in altersgemischten Teams. Eine höhere gegenseitige Wertschätzung und eine effektivere Zusammenarbeit in einem Mehr-Generationen-Team sind die Folge. Solche Teams lassen sich auch viel besser führen.

Die wichtigsten Erkenntnisse rund um die Mitarbeiterbindung zusammengefasst

Wenn Mitarbeiterentwicklung und -bindung gelingen sollen, denken Sie bitte daran, dass die Qualität von Führung einen wesentlichen Anteil daran hat und Führungskräfteentwicklung ein lohnendes Investitionsfeld ist. Denken Sie daran, die Bedürfnisse der verschiedenen Generationen in Ihrem Unternehmen zu berücksichtigen, wertzuschätzen und aktiv damit zu arbeiten. Machen Sie sich klar, dass die Motivation der Mitarbeitenden und die Bindung an Ihr Unternehmen damit steht und fällt, ob Sie ihnen auf Augenhöhe begegnen.

Ihre Mitarbeitenden benötigen Sicherheit, Verlässlichkeit und Überschaubarkeit, um ihre Potentiale zeigen zu können. Sie wollen nachvollziehbare, erreichbare Unternehmensziele erkennen und die Erlaubnis erhalten, sie mit großem Gestaltungsspielraum auf eigene Art und Weise zu erreichen.

Hinweis: Die dargestellten Inhalte lassen sich hier auch als Präsentation mit den entsprechenden Grafiken herunterladen. Gern können Sie die Präsentation unter Nennung von Kenk – Organisationsberatung verwenden. 

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